Biografie

Einar Schleef wurde am 17. Januar 1944 in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) geboren. Der Vater Wilhelm ist Architekt, die Mutter Gertrud, geborene Hoffmann, Schneiderin. Schleef begann früh zu malen (ab 1958 gehörte er zum Malzirkel des Malers Wilhelm Schmied) und studierte nach dem Abitur Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee –, wurde aber schon wenig später wegen „Disziplinlosigkeit und mangelndem studentischen Gesamtverhalten“ exmatrikuliert und widmete sich fortan der Fotografie. 1967 setzte er das Studium im Fach Bühnenbild fort und wurde Meisterschüler bei Brechts Bühnenbildner im Berliner Ensemble Karl von Appen.

Erste eigene Arbeiten realisierte Schleef Anfang der 70er Jahre an der Ost-Berliner Volksbühne und am BE an der Seite von B. K. Tragelehn. Als er zu Vorbesprechungen einer seiner Inszenierungen nach Wien reisen durfte, kehrte er aufgrund fehlender Perspektive 1976 nicht mehr in die DDR zurück und lebte fortan in West-Berlin. Dort schrieb er den Roman „Gertrud“, Erzählungen, Stücke, Hörspiele und weiter an dem als Neunjähriger begonnenen Tagebuch. Hier studierte er auch Film an der Deutschen Film- und Fernsehakademie und nutzte die Möglichkeit, experimentelle Kurzfilme zu drehen.

Bis Günther Rühle ihn 1985 an das Schauspiel Frankfurt holte und er wieder am Theater inszenierte: 1986 „Mütter“ (mit Hans-Ulrich Müller-Schwefe nach Aischylos und Euripides), 1987 Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“, 1988 sein eigenes Stück „Die Schauspieler“, 1989 Goethes Ur-Götz, 1990 Lion Feuchtwangers „Neunzehnhundertachtzehn“, 1990 Goethes „Faust“. Zu „Mütter“ erscheint 1986 ein Bildzyklus Schleefs: „Schlangen – Die Geschichte der Stadt Theben“.

1987 findet, im Anschluß an die Bücher „Gertrud“ und „Zuhause“, die Ausstellung „Gertrud – Familienleben in der Provinz“ im Rathaus Berlin-Schöneberg statt. Dazu malt Schleef einen begehbaren Stadtplan Sangerhausens, der heute in Sangerhausen zu besichtigen ist. Außerdem erscheint der Band „Waffenruhe“ mit Fotos von Michael Schmidt und dem Erzählfragment „Zigaretten“ von Einar Schleef. 1992 zeigt die Akademie der Künste während der Präsidentschaft Heiner Müllers die große Ausstellung „Republikflucht Waffenstillstand Heimkehr“, zu der ein Katalog herauskommt. 1993 erscheint sein Bericht „Heimkehr“. 1997 folgt der große Essay „Droge Faust Parsifal“, 1998 die Erzählung „Zigaretten“.

Nach den fünf Theaterjahren in Frankfurt inszeniert er 1993 Rolf Hochhuths „Wessis in Weimar“ am Berliner Ensemble. Eine neue „Faust“-Inszenierung wird im selben Jahr vor dem (vor der angesetzten Premiere dichtgemachten) Berliner Schillertheater gezeigt. 1996 inszeniert Schleef Brechts „Puntila und sein Knecht Matti“ (und spielt den Puntila, am Berliner Ensemble), 1997 in Düsseldorf „Salome“ (Wilde/Schleef), 1998 am Wiener Burgtheater Elfriede Jelineks „Sportstück“, 1999 ebendort „Wilder Sommer“ (Goldoni/Schleef) und am Wiener Akademietheater „Der Golem in Bayreuth“ (Berkéwicz/Schmidt), 2000 das Revolutionsstück „Verratenes Volk“ am Deutschen Theater in Berlin (Milton/Nietzsche/Dwinger/Döblin, Schleef spielt Nietzsche). Die Proben zu Jelineks „Macht nichts“ am Berliner Ensemble müssen Ende Januar 2001 wegen eines Herzanfalls Schleefs abgebrochen werden.

Aus der Verbindung von Schauspielern, Raum, Kostüm, Licht, Rhythmus und Klang entwickelte Schleef eine eigene, unverwechselbare Theaterästhetik. Bei Kritikerumfragen wurden die Stücke regelmäßig sowohl als „Höhepunkt der Saison“ wie auch als „ärgerlichste Theatererfahrung des Jahres“ eingestuft. Gleich zwei seiner Inszenierungen, die Uraufführung von Elfriede Jelineks „Sportstück“ vom Burgtheater und Salome vom Schauspiel Düsseldorf erhielten 1998 Einladungen zum Berliner Theatertreffen. Die Jury lobte Schleef für die „bizarrsten, phantastischsten, verrücktesten, gewagtesten und enervierendsten Bilder, die auf unseren Bühnen derzeit zu sehen sind“. Zu dieser Überzeugung dürfte die Jury nicht zuletzt die außergewöhnlichen Kostüme und Bühnenbilder gebracht haben, die Schleef entwarf und die das postmoderne Theater einläuteten. Zuletzt war er sogar selbst als Schauspieler auf der Bühne zu sehen. Doch das Fotografieren und Malen hat er trotz intensiver Theaterarbeit nie aufgegeben. Im Gegenteil, auch hier entwickelte er neue unnachahmliche Bildformen.

Einar Schleef starb am 21. Juli 2001 in Berlin und wurde in Sangerhausen neben seiner Mutter und dem Vater beerdigt. Ein Jahr nach seinem Tod wurde dort der Einar-Schleef-Arbeitskreis e.V. gegründet. Sein Nachlass ging in das Archiv der Akademie der Künste in Berlin, die bildnerischen Arbeiten (mit Ausnahme der auf die Theaterarbeit bezogenen und der Fotografien) übernahm die Moritzburg in Halle/Saale. Sein schriftliches Werk liegt im Suhrkamp Verlag vor. Zuletzt erschien 2018 im Elfenbein Verlag das Lesebuch „Und der Himmel so blau“, herausgegeben von Hans-Ulrich Müller-Schwefe, mit einem Nachwort von Etel Adnan.

© Andreas Pohlmann
Preise

1981: Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung
1981: Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis (für Arthur)
1982: Preis der Industriellenvereinigung beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
1982: Förderungspreis des Andreas-Gryphius-Preises
1986: Deutscher Kritikerpreis
1987: Karl-Hofer-Preis der Hochschule der Künste Berlin
1989: Alfred-Döblin-Preis
1990: Fritz-Kortner-Preis (gemeinsam mit B. K. Tragelehn)
1995: Mülheimer Dramatikerpreis
1998: Literaturpreis der Stadt Bremen
1998: 3sat-Preis beim Berliner Theatertreffen
1999: Kainz-Medaille der Stadt Wien